
Die Bedeutsamkeit des Faktors Mensch in unserer Arbeitswelt
Der Faktor Mensch, der Human Factor, kommt oft bereits zum Zeitpunkt des Recruitings zu kurz.
Viele Unternehmen sind auf der Suche nach Fachkräften, insbesondere mit Abschlüssen in MINT-Fächern von renommierten Universitäten, mit ausgezeichnetem Notendurchschnitt und Berufserfahrung. Es herrscht die allgemeine Annahme, dass dies die Topkräfte der Zukunft sein werden. Aber vergisst man da nicht einen sehr wichtigen Aspekt? Wie sieht es mit dem Human Factor aus?
Kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zeichnen sich eben nicht nur durch ihr Fachwissen aus, sondern auch durch die richtige Arbeitseinstellung. So kann eine Fachkraft mit ausgezeichnetem Abschluss sehr viel wissen, doch nützt das der Arbeitgeberin wenig, wenn die Mitarbeiterin etwa nicht motiviert ist, all ihr oder sein Wissen einzubringen, sondern eher das Prinzip „Dienst nach Vorschrift“ verfolgt? Hier kommt es folglich nicht zu Höchstleistungen und Innovation.
Expertise ist nicht gleich Kompetenz
Dass Expertise und Kompetenz eben nicht dasselbe sind kommt auch in dem folgenden Zitat zum Ausdruck:
»Expertise und Kompetenz entwickeln sich zu den wichtigsten Werten, nicht Rendite und Produktivität.« – aus dem Buch „Im Grunde gut – Eine neue Geschichte der Menschheit“
Rutger Bregman, niederländischer Historiker und Autor
Wir sind eben keine Roboter oder Rohstoffe, die ein Unternehmen einfach verwenden kann, wie entmenschlichende Begriffe wie »Human Ressources« oder Arbeitskräfte suggerieren, sondern Menschen. Wir sind arbeitende Menschen. Entsprechend ist der Human Factor auch als eine sehr komplexe Variable in der betriebswirtschaftlichen Rechnung zu behandeln. Nicht jeder kann gleich viele Stunden pro Woche arbeiten bzw. produktiv sein. Arbeitszeit ist nicht gleichzusetzen mit Produktivität. Jeder hat ganz individuelle Stärken und Bedürfnisse und eine mehr oder weniger ausgeprägte Work Ethic (bzw. Arbeitsmoral).
Um dieser menschlichen Komponente gerecht zu werden, wurde der klassischen Gleichung knowledge + experience = ability (auch bekannt als das KSA System) noch die Variable attributes (= Charaktereigenschaften eines Menschen, oder auch seine Einstellung) hinzugefügt:
knowledge + attributes + skills + experience = competence
(siehe KASE Modell).
Übersetzt heißt dies, dass durch Wissen und Erfahrung zwar die grundsätzlichen Voraussetzungen für Erfolg gegeben sind, dieser aber noch nicht garantiert werden kann, erst in Verbindung mit der richtigen Arbeitseinstellung hat man auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die gute Leistungen erbringen werden.
Ein menschlicher Eisberg
Wie sind diese menschlichen Eigenschaften nun zu gewichten? Vergleichen wir den Menschen mit einem Eisberg. Betrachtet man nur dessen Lebenslauf, so sieht man höchstens die Spitze. Alles Persönliche, alles Menschliche befindet sich unter der Oberfläche. Hier verbergen sich all jene Eigenschaften, die wesentlich dafür sein werden, ob eine gute Leistung oder sogar Initiative und Innovation erzielt werden. Dafür braucht es mehr als Fachwissen und Erfahrung. Es braucht die passende Arbeitseinstellung, Ehrgeiz, Interesse, mit dem Unternehmen konforme Werte und Ziele, manchmal Geduld, manchmal Durchsetzungsfähigkeit oder auch Verhandlungsgeschick. Viele dieser Fähigkeiten sind zwar erlernbar, aber selten in den Lebensläufen ablesbar.

Betrachtet eine Arbeitgeberin oder ein Arbeitgeber also nur oberflächliche Parameter wie die Berufserfahrung gemessen in Jahren oder den Notenschnitt, so bleibt das Wesentliche unsichtbar. Durch Kenntnis der Einstellung, Werte und Motivationen einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters kann man diesen viel besser einsetzen und zu Bestleistungen führen.
Fähigkeiten entscheiden, ob man imstande ist eine Aufgabe zu bewältigen. Persönliche Faktoren entscheiden allerdings darüber, wie gut man diese tatsächlich bewältigen wird.