
Die fünf Stufen der Krise
Vom Schock zum Neubeginn
Definition einer Krise
Eine Krise bedeutet immer der Verlust einer oder mehrerer Identitäten. Sie ist ein Prozess, der über fünf Stufen verläuft und idealerweise in einem höheren Bewusstseinsniveau mündet. Nehmen wir an, wir sind Eigentümer eines Wohnviertels. Jedes der Häuser steht für einen Identitätsbereich. Ein Gesundheitshaus, ein Familienhaus, ein Freundschaftshaus, ein Kulturhaus usw. Eine Krise würde bedeuten, dass beispielsweise durch eine Naturkatastrophe ein oder mehrere Häuser zusammenbrechen.

Intensität einer Krise
Wie intensiv wir eine Krise erleben, hängt davon ab,
- wie viele oder welche Identitätsbereiche betroffen sind, also wie viele Häuser gleichzeitig zusammenstürzen,
- wie plötzlich der Verlust eintritt, also wie schnell ein Haus einstürzt oder wie rasch hintereinander diese einstürzen,
- wie lange die Krise dauert, also wie lange die Katastrophe anhält,
- wie resilient wir bereits sind, also wie viele Häuser wir bereits in der Vergangenheit gebaut haben, wie viele Kontakte zu Architekten und Baumeistern wir haben und
- Wie viel uns die einzelnen Identitäten bedeuten, also wie wichtig sind uns die einzelnen Gebäude.
Positive Krisen
Auch angenehme, erwünschte oder normative Lebensveränderungen können krisenhaft verlaufen.
z.B. Wohnortwechsel, Auszug aus dem Elternhaus, große Reisen, Eheschließung, Geburt eines Kindes, Hausbau, Ausbildungsabschluss, beruflicher Aufstieg, Pensionierung, Pubertät oder die Wechseljahre.
Ein Zeichen dafür ist die fehlende Freude, die Menschen bei positiven Ereignissen zwar erwarten, aber noch nicht spüren.
Merkmale einer Krise
Jede der Stufen kann mehrmals durchlaufen werden und jeder Mensch durchläuft sie unterschiedlich schnell. Auch kann man auf einer Stufe stehenbleiben und professionelle brauchen.
In einer Krise regrediert der Mensch. Er fällt auf frühere Entwicklungsstufen zurück. Er wird bedürftig wie ein Kind.
In jeder Stufe hat der Mensch unterschiedliche Bedürfnisse. Weiß ich darum, kann ich ihn verstehen.
Die fünf Stufen einer Krise
1. Schock
Die erste Stufe ist die des Schocks. In dieser Phase gibt es keine Gefühle und kein Handeln, sondern nur “Funktionieren wie ferngesteuert”. Wir sind gelähmt. Was gelingt, sind Routinehandlungen und Fürsorgeverhalten, wie Kochen, Essen etc. Nichts ist realisiert. Wir stehen geschockt vor dem zusammenbrechenden Haus.
Interventionen
Hier ist es wichtig, den Menschen in Sicherheit zu bringen und für ihn zu sorgen, wie eine Mutter. Des Weiteren ermutigen wir Menschen in Krisen, vom Erlebten zu berichten. Lassen Sie sich genau erzählen, was alles passiert ist und wann der Mensch wieder in Sicherheit war. Nach haltgebenden Gesten, wie Hinsetzen, in eine Decke hüllen, fest umarmen, etwas zum Trinken bringen, ist es dann wichtig, in Bewegung zu kommen. Erzählen lassen ist ein Teil der Bewegung, aber auch tatsächlich körperlich in Bewegung kommen, macht Sinn, um nicht in einer traumatischen Starre zu verharren.

Coronabezug: Das Coronathema lässt viele Menschen noch immer in Starre verharren. Niemand geht wieder fort, reist, tanzt, lacht, macht Sport, sondern tut nur das Nötigste und “funktioniert”.
2. Handeln
Die zweite Stufe ist das Handeln. Wir kommen nun in Bewegung und versuchen, die alte Identität wiederherzustellen, das Haus vorm Einsturz zu bewahren, es zu stützen, wie wild umherzulaufen, zu schreien. Vielleicht gelingt es auch, das Alte zu retten, vielleicht aber auch nicht. Dann wird das Handeln zum Agieren, zum unkoordinierten, angetriebenen, hektischen und irrationalen Davonlaufen vor der Realität. Sehen wir Menschen, die nur mehr reagieren, anstatt zu handeln, dürfen wir sie daran erinnern, dass das Haus eingestürzt ist. Steigt bei uns selbst der innere Druck, mag dies ein Zeichen dafür sein, dass die Zeit des Handelns abgelöst werden darf. Es ist an der Zeit, innezuhalten und ins Fühlen zu kommen.
Corona-bezug: Die Kurzarbeit und Gelder aus dem Hilfsfond sind Beispiele für das Handeln, um Betriebe am Leben zu erhalten und Arbeitsplätze zu sichern. Vielleicht gelingt dies, vielleicht aber auch nicht.
3. Emotionen
Wie bereits gesagt: Steigt der innere Druck, dann wird es Zeit, sich der dahinterliegenden Emotionen zu stellen. Angst, Trauer, Wut, Scham, Schuld, aber auch Hoffnung, Freude und Erleichterung sind möglich und normal. In dieser Stufe erst betrauern wir den Verlust der alten Identität. Erst jetzt beginnen wir zu realisieren, dass die alte Identität verloren ging, dass das Haus tatsächlich unwiederbringlich zusammengebrochen ist. Wir beginnen die Trümmerhaufen wegzuräumen. Wir verabschieden uns. Und dies gilt auch, wenn es sich um freudige Ereignisse handelt.
4. Akzeptanz
Erst nach Verabschiedung der alten Identität gelangen wir in die Akzeptanz. Wir nehmen die aktuelle Situation an, ohne sie verändern zu wollen. Das Hadern hört auf. Wir sind einverstanden mit dem, wie es ist.
Die Trümmer sind weggeräumt, es ist Platz für ein neues Gebäude. Manche Menschen wollen bereits nach dem Einsturz des alten Hauses – ohne es noch beseitigt zu haben – ein neues Haus bauen. Ein Beispiel dafür ist das Eingehen einer neuen Beziehung, ohne noch die alte beendet zu haben. Doch ohne die Stufe 3 ist der Bau eines neuen Hauses unmöglich.
In dieser Stufe der Akzeptanz beginnt die Analyse der Werte. War das Haus angemessen groß? Stand es überhaupt am richtigen Platz? Will ich so ein Haus überhaupt noch bauen oder möchte ich ein neues, mit neuen Inhalten? Wir kontaktieren ein Planungsbüro, lassen uns beraten und unterstützen. Ein neues Haus darf entstehen.
5. Neubeginn
Schlussendlich entsteht aus der Krise etwas Neues. War dieses Neue zu Beginn der Krise noch völlig undenkbar, so wird dies nun realistisch. Der Neubeginn ist von einem Wachstum an Erkenntnissen und Sinn begleitet. Rückblickend wird erkannt, wozu die Krise gut war.
Idealerweise entsteht ein neues viel schöneres Gebäude, das Ihnen weit mehr Freude bereitet, als das Alte. Das ist die Chance einer Krise.
Corona-bezug: Es werden nachhaltige Betriebe gegründet. Z.B. beheizt eine Brauerei mit der Wärme, die beim Bierbrauen entsteht, Häuser, es werden neue Recycling-Kreisläufe erschaffen, oder wir erhalten einen neuen Impuls für Digitalisierung, um Ressourcen und Zeit zu sparen.
Mit dem Wissen um diese fünf Stufen und den nötigen Tools begleiten wir Menschen und Unternehmen vom Schock hin zum Neubeginn und stärken damit deren Resilienz.
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