
ETTO
Gründlichkeit und Effizienz. Oder Daumen mal Pi?
ETTO ist eine Abkürzung für Efficiency-Thoroughness Trade-Off und beschreibt das Prinzip der Abwägung und Balance zwischen Effizienz und Gründlichkeit.
In der Luftfahrt bedeutet ETTO beispielsweise, dass Flugzeuge gleichermaßen gründlich so wie rasch gewartet werden sollen. Auch im täglichen Leben am Boden entscheiden Menschen nach dem ETTO-Prinzip:
- Wasche ich mein Auto schnell oder doch lieber gründlich?
- Untersucht und behandelt ein Arzt seine Patienten schnell oder gründlich?
- Produziert eine Unternehmerin ein Produkt qualitativ hochwertig oder kostengünstig?
- Gib es einen raschen oder sicheren Impfstoff?
Der Widerspruch zwischen „Safety first“ und „Produktivität an erster Stelle“ erinnert uns an die elterliche Doppelbotschaft aus der Kindheit: Beeil dich! Und sei perfekt! Keinem der beiden Ansprüche kann zu 100 Prozent Rechnung getragen werden. Vielmehr geht es in jedem Entscheidungsprozess um ein sorgfältiges Abwägen der Ziele Effizienz und Gründlichkeit. So viel Gründlichkeit wie nötig, so viel Effizienz wie möglich.
ETTO existiert
Es hilft, zu wissen, dass wir in den meisten Problemlöseprozessen, sei es dem DODAR– oder FORDEC-Prinzip an den Punkt kommen, an dem es gilt, auf die Ausgewogenheit zwischen Sicherheit und Effizienz zu achten.
Wir verbrauchen nicht unnötige Zeit damit zu verschwenden, die Existenz des ETTO-Prinzips zu leugnen und unsinnigerweise auf die 100 Prozent in jedem Bereich der Waagschale zu bestehen. Wir wissen um die Existenz von ETTO und beginnen sofort mit dem Abwägen. Das ist effizient!

Diversität meets ETTO
Diversität ist eine weitere Antwort darauf. Wenn eine Kollegin im Team eher genau ist, ein anderer Kollege dafür schnell, kann dies einen großen Gewinn für ein Unternehmen darstellen. Ich kann Arbeitsschritte, die weniger Gründlichkeit erfordern an jene abgeben, die schnell sind und umgekehrt. Der effiziente Mitarbeiter auf den zeitlichen Rahmen. Eine gründliche Mitarbeiterin achtet auf die Qualität des Inhalts. Wesentlich für Teams erscheint uns dabei, nicht mit einem ABER auf Genauigkeit eines Mitarbeiters zu reagieren, sondern mit einem UND. Und wir wissen, dass jede Seite Abstriche machen muss, um beiden Zielen gerecht zu werden.
Heuristik – oh je!
Das Wissen um Heuristiken in der Entscheidungsfindung eine weitere Antwort auf das ETTO-Prinzip. Heuristische Entscheidungen sind solche, die wir schnell, automatisch, mühelos, assoziativ, erfahrungsbasiert und intuitiv treffen. Sie sind oft richtig, aber eben nicht immer. Folgende Beispiele aus Kognitionspsychologie möchte ich am Beispiel des Autokaufs nennen:
Fluency-Effekt
Gleich ums Eck befindet sich ein Händler einer bestimmten Automarke. Die muss gut sein. Wenn wir schnell sein sollen, greifen wir möglicherweise auf leicht verfügbare Informationen zurück, die jedoch nicht notwendigerweise die besten sein müssen. – Flüssigkeits-Fehler sind möglich!

Mehrheitsheuristik
Alle in meinem Bekanntenkreis finden diesen Autotyp auch gut. Ich treffe eine Entscheidung, weil sich die Mehrheit dafür entscheidet.
Rekognitionsheuristik
Ich habe den besagten Autotyp bereits häufig auf Plakaten und in der Werbung gesehen. Das muss gut sein. Das Objekt, das ich wiedererkenne, hat einen höhere Chance, als richtig gewählt zu werden.
Sympathie- und Expertenheuristik
Der Autohändler ist freundlich und offenherzig, zudem hat er jede Menge Urkunden im Büro hängen. Wenn jemand sympathisch und als Experte auftritt, werden Sie diesem eher glauben, als jemandem, der unsympathisch und laienhaft auf Sie wirkt.
Diese und andere Heuristiken stimmen oft, aber eben nicht immer. Sie zu kennen, schützt vor Fehleinschätzungen und vorschnellen Entscheidungen. Sie sind die Fallen zugunsten der Effizienz, aber auf Kosten der Gründlichkeit und Qualität.